Als Donald Trump seinen Saudi-Arabien-Besuch beendet, verhält er sich einmal kurz wie ein Gentleman. Auf dem Weg zur Air Force One geht er einen Schritt hinter seiner Frau Melania. Aber dann kann er sich doch nicht zurückhalten. Noch auf der Gangway überholt er die First Lady. Bei der Ankunft in Israel ein ähnliches Bild: Er steht in der offenen Tür, sie einen Schritt hinter ihm. Bis dato ist Melania Trump als First Lady kaum in Erscheinung getreten. Auf der Auslandsreise ihres Mannes, als Melania ihre Rolle in der Öffentlichkeit erstmals sichtbar mehr annimmt, gibt es dann direkt eine Kontroverse. 
Bei der Ankunft in Saudi-Arabien trug die 47-Jährige kein Kopftuch. Sie ist nicht die Erste, die sich den strikten Kleidervorschriften des Landes in Teilen entzieht. Auch Michelle Obama trug bei ihrem Besuch in Saudi-Arabien 2015 kein Kopftuch.
Wer sich damals darüber aufregte, war: Donald Trump. "Viele Menschen finden es wundervoll, dass Mrs. Obama kein Kopftuch in Saudi-Arabien getragen hat, aber dort fühlten sie sich beleidigt. Wir haben schon genug Feinde", twitterte Trump. Was Melania Trump auf dieser Reise neben ihrem Mann an Programm absolvierte, wurde unwichtig.
Von Melania Trump selbst gab es keine Reaktion zu ihrer Kleiderwahl und der Debatte darüber. Aber sie twitterte für ihre Verhältnisse geradezu ausführlich. Sieben Tweets über den "wundervollen Besuch" und die Bestrebungen des Landes, "Frauen zu ermächtigen", konnte man lesen. Seit sie unter @flotus twittert, hat sie insgesamt erst 50 Tweets verfasst. 

"Sie ist in einer wenig beneidenswerten Position"

Im Weißen Haus überlässt sie ihrem Mann das Reden, Twittern, Polarisieren. "Sie ist in einer wenig beneidenswerten Position, weil ihr Mann so spaltend ist", sagt die US-amerikanische Journalistin Kate Andersen Brower, die ein Buch über die Macht und die Rolle der First Ladys geschrieben hat.
Vielleicht liegt es auch daran, dass sich Melania in Washington rar macht. Der East Wing, in dem die First Ladys des Landes wirken, ist verwaist. Sie ist die erste First Lady in der Geschichte der USA, die nicht direkt ins Weiße Haus gezogen ist. Zwar gibt es mittlerweile eine Kommunikationschefin für Melania Trump, doch viele andere Stellen sind noch unbesetzt. Es gibt nicht viel zu tun. Die offiziellen Termine von Trump seit der Amtsübernahme ihres Ehemannes Ende Januar sind ausgesucht und selten. Hier eine Vorlesestunde in einem Kinderkrankenhaus, dort eine Rede vor geladenen Gästen.
Als andere First Ladys ihre Agenda schon lange gesetzt hatten, kündigte Melania Trump lediglich an, sich um das Thema Cyberbullying kümmern zu wollen. Ausgerechnet.
Doch braucht es die First Lady überhaupt noch im Jahr 2017? "Die Frau an der Seite von": Nie schien das Klischee der First Lady mehr zum Tragen zu kommen als mit einem Präsidenten Trump, der Frauen offen beleidigt und herabsetzt und ihnen augenscheinlich nicht viel mehr als eine Trophäenrolle zugesteht. Mit Tochter Ivanka hat er sich eine enge Beraterin ins Weiße Haus geholt. Die Gattin wird in Washington offensichtlich nicht vermisst.
Im September nun wird Melania ins Weiße Haus ziehen, Sohn Barron wird dann auf eine Schule in Maryland gehen. Dann könnte sich die First Lady einfach darauf konzentrieren, Mutter zu sein ­– eine Rolle, deren Bedeutung Melania Trump in ihren wenigen öffentlichen Statements stets betont – und das Porzellan-Dekor für den 45. Präsidenten auszusuchen. Die Rolle der First Lady kann so traditionell gestaltet werden, aber sie bietet mehr Möglichkeiten. "Diese Frauen sind unglaublich mächtig. Es ist eine reale und auch eine von der Öffentlichkeit wahrgenommene Macht", sagt Andersen Brower.
Eleanor Roosevelt, nach wie vor Amerikas beliebteste First Lady, gab Pressekonferenzen für ausschließlich weibliche Journalisten und organisierte 1939 einen Auftritt einer afroamerikanischen Opernsängerin am Lincoln Memorial, nachdem ihr ein Auftritt in einem Konzertsaal verboten worden war.